Man kann Sven Lindig ohne zu übertreiben als einen der
wichtigsten Vertreter der neuen Unternehmergeneration in Thüringen bezeichnen. Der
Geschäftsführer der Lindig Fördertechnik GmbH in Krauthausen bei Eisenach führt
ein florierendes Unternehmen mit einer ständig wachsenden Zahl von
Mitarbeitern. LINDIG ist ein Familienbetrieb in vierter Generation. Aus der
1899 gegründeten Schmiede und Wagenbaufirma ist ein moderner Dienstleiter in
allen Belangen der Fördertechnik geworden. Mit Sven Lindig steht seit 2011 die
vierte Generation am Ruder. Im Interview mit dem WIRTSCHAFTSSPIEGEL verrät er
seine Philosophie der Unternehmens- und Mitarbeiterführung.
Herr Lindig zunächst
erstmal herzlichen Glückwunsch! Sie haben mit Ihrem Unternehmen den Großen
Preis des Mittelstandes gewonnen. Immerhin soll das der begehrteste
Wirtschaftspreis in Deutschland sein. Dabei wurde besonders Ihre beispielhafte
Art der Mitarbeiterführung gewürdigt. Wie stolz sind Sie?
Vor allem bin ich stolz auf ein tolles Team, das diesen
Preis tatsächlich verdient. Denn die vielen umgesetzten Maßnahmen kamen vor
allem aus der Belegschaft und wurden von ihr umgesetzt. Insgesamt gefällt mir
der Begriff Dankbarkeit aber etwas besser …
Betrachten wir kurz
Ihre Unternehmensentwicklung. Innerhalb von rund fünf Jahren ist die Zahl Ihrer
Mitarbeiter von 160 auf über 280 gewachsen. Kümmert Sie der Fachkräftemangel
nicht, der überall beschworen wird?
Natürlich ist auch für uns der Kampf um die Besten ein
Thema. Mein Ziel war seit der Unternehmensnachfolge vor rund fünf Jahren, eine
Sogwirkung für die zu uns passenden Talente zu entwickeln. Dazu galt es
vorerst, die Attraktivität als Arbeitgeber mit vielen Maßnahmen zu erhöhen und dies
letztlich auch zu kommunizieren. Die beste Werbung machen aber unsere eigenen
Mitarbeiter. Wenn sich Kinder, Ehepartner, Geschwister und Freunde bewerben,
ist das der beste Ausdruck von hoher Zufriedenheit.
Worauf kommt es
heutzutage an, wenn man gute Fachkräfte für sich gewinnen will?
Hier gibt es kein Patentrezept oder eine Zutatenliste. Jedes
Unternehmen und jeder Unternehmer hat selbst zu entscheiden, welche konkreten
Maßnahmen umgesetzt werden. Eine Auflistung von Einzelmaßnahmen auf der
Firmenhomepage bringt aber nichts, wenn hinter den Kulissen Krieg herrscht.
Unternehmenskultur – also das Gedächtnis einer Organisation – ist hier
entscheidend. Die ist nicht mit der Brechstange herbeizuführen, sondern ergibt
sich aus dem täglich erlebten Handeln.
Man kommt auch leichter an Fachkräfte, wenn man innovativ ist.
So haben wir in diesem Jahr als Vorreiter in Thüringen eine Erfolgsbeteiligung
für alle Mitarbeiter eingeführt, die mit einem Zeitwertkonto gekoppelt ist. So
bleibt mehr netto vom brutto und man kann für Sabbatical, Pflegezeit oder
Vorruhestand ansparen. Übrigens bevorzugen wir hierbei eine ergebnisabhängige
Erfolgsprämie, die für alle Mitarbeiter in gleicher Höhe ausfällt statt
Einzelboni, die interne Interessenskonflikte und Ellenbogenverhalten fördern.
Auch der Konzern Bosch hat letzteres erkannt und diese kürzlich abgeschafft.
Wir verfolgen das Ziel, zu einem der besten Arbeitgeber in
der Region und in der Branche zu werden. Gerade haben wir mit sehr guter
Beteiligung eine Mitarbeiterbefragung im Rahmen von TOP JOB durchführen lassen
und sind gespannt, mit welchen Erkenntnissen wir uns weiter verbessern können.
Wie viel Demokratie
verträgt moderne Unternehmensführung heute? Oder anders gefragt: In welchen
Situationen müssen Sie eingreifen, was entscheiden Sie als Chef noch selbst?
Spannendes Thema! Wieviel Platz zum Drucken haben Sie?
(lacht) Vorab vielleicht ein aktueller Hinweis: Ich bin im Herbst noch einmal
Vater geworden und habe mich einen ganzen Monat nicht im Unternehmen blicken
lassen und sozusagen Elternzeit gemacht. Undenkbar, wenn man alles selbst
entscheiden will und niemandem vertraut. Ich nehme mich nicht so wichtig – für
die meisten Themen haben wir besser geeignete Leute als mich an Bord. Warum
also nicht die machen lassen? Natürlich schaue ich, dass die Richtung stimmt.
Und das war bisher fast immer der Fall…
Ich sehe mich als Impulsgeber und möchte auch meine
Herzensangelegenheiten umgesetzt sehen. Wie zum Beispiel das Engagement in der
Region, für das Kinderhospiz Mitteldeutschland, den ThSV Eisenach und viele
andere Vereine und Initiativen. Mittlerweile haben unsere Mitarbeiter auch die
Möglichkeit, eigene Vorschläge für das regionale Engagement im sozialen,
kulturellen oder sportlichen Bereich einzureichen und mit einer Jury nach
festen Kriterien selbst zu entscheiden.
Sie werben mit dem
Slogan „Anti-Langeweile-Garantie“. Was können wir uns darunter vorstellen?
Das bekommt man in einem Produktionsbetrieb mit Bandarbeit
wahrscheinlich nicht so gut hin. Unsere Mitarbeiter lobten stets, dass es nie
langweilig wird. Immer neue Tätigkeiten, Produkte, Kunden gepaart mit dem
internen Wachstum, das stets für Veränderungen sorgt. Das wollte ich nun
garantieren und habe im Intranet eine Aufgabentauschbörse eingerichtet, in der
man unliebsame Arbeiten loswerden kann, auf die jemand anderes Lust hat. Einige
Kooperationen sind hier mittlerweile entstanden und zum Glück wurde nicht
unsere gesamte Organisation umgekrempelt.
Auf Bildern Ihrer Belegschaft
sieht man stets nur gut gelaunte Menschen. Mit welchen konkreten Maßnahmen
fördern Sie das gute Betriebsklima?
Die Fotos sind nicht von einer Internetplattform gekauft
sondern echt! Aber auch bei uns ist nicht ein Tag wie der andere, gibt es mal
Konflikte und auch mal einen hängenden Mundwinkel. Auf diesen gehen wir dann
aber schnellstmöglich ein und sehen die hochkommenden Themen als anzugehende
Herausforderung. Meistens gelingt es, die Mundwinkel schnell wieder
hochzubekommen …
Trotzdem gibt es doch
in jedem Unternehmen Tätigkeiten, um die jeder einen möglichst großen Bogen
machen will. Wie gehen Sie und Ihre Mitarbeiter damit um?
Erst einmal gilt es, die richtigen Mitarbeiter mit den
passenden Talenten an die jeweilige Stelle zu bringen. Wenn ich den ganzen Tag
Rechnungen buchen würde, wäre ich frustriert und würde Fehler produzieren,
anderen macht das zum Glück Freude. Mir fällt bei uns auch kein Job ein, den
niemand machen will. Klar, wenn man einen ganzen Monat nur Räder von
Großstaplern wuchten müsste, wäre das vielleicht auf Dauer ermüdend. Das kommt
aber nicht vor, sondern ist mit anderen Tätigkeiten gepaart. Und jeder ist
eingeladen, auch tageweise andere Tätigkeiten kennenzulernen. Auch ich habe in
meiner Zeit als Geschäftsführer mal mit in der Werkstatt geschraubt und bin mit
einem unserer LKW-Fahrer unterwegs gewesen.
Wie viel Mut braucht
man, um einen solchen Weg der Mitarbeiterführung zu gehen? Was raten Sie Ihren
Unternehmerkollegen?
Mehr AM als IM Unternehmen zu arbeiten. Wer nur hektisch
Kundenaufträge abarbeitet ohne hochzuschauen wird irgendwann schlimmstenfalls
feststellen, dass seine Wettbewerber um die Fachkräfte besser aufgestellt sind
und er/sie bald alleine dasteht. Deshalb mache ich aus MUT ein MUSS. Wichtig
ist damit zu starten, eine Ist-Analyse zu machen, die größten Schwachstellen zu
identifizieren und mit dem Team zu definieren, wo man hinwill. Und sich zu
überlegen, wie man die gesamte Mannschaft mit auf die Reise nimmt.
Noch einmal zurück
zum Fachkräftemangel. Aktuell bieten Sie auf Ihren Karriereportal etliche freie
Stellen an. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie für diese Stellen geeignete
Bewerber finden?
Sehr. Auch wenn wir lieber mal eine Stelle offen lassen, als
sie vorschnell mit der nicht optimal geeigneten Person zu besetzen.
Mittlerweile bekommen wir eine vierstellige Anzahl von Bewerbern pro Jahr und
haben ein sehr professionelles mehrstufiges Einstellungsverfahren, das beide
Seiten bestmöglich vor Fehlentscheidungen bewahren soll. Hierbei spielt mehr die
persönliche Einstellung als die Fachkompetenz die entscheidende Rolle. Letztere
kann man auch nachträglich erwerben, ohne die passenden Werte ist sie nutzlos.
Zum Schluss noch zum
Thema Digitalisierung der Arbeitswelt. Sind Sie in Ihrem Unternehmen darauf
vorbereitet und wie gehen Sie diese Herausforderung an?
Ich bin selbst begeisterter Nutzer der Geräte mit dem
angebissenen Apfel und so waren wir eines der ersten Unternehmen der Branche,
das seinen Vertriebsmitarbeitern iPads an die Hand gab zu Zeiten, als die
Geräte noch bestaunt wurden. Unsere Techniker lassen elektronisch ihre
Arbeitsberichte unterzeichnen und wir arbeiten an einem Projekt zur
Life-Unterstützung aus dem technischen Helpdesk. Darüber hinaus läuft ein
Forschungsprojekt zur permanenten Lagerinventur per RFID und Stapler gemeinsam
mit mehreren Partnern, unter anderem Fraunhofer und TU München. Bei allem, was
zukünftig vielleicht elektronisch oder automatisch funktioniert, sollte aber
der Mensch im Mittelpunkt stehen.
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